Unter 'Global
Playern' stellt man sich gemeinhin 'die
Großen' vor — Konzernriesen mit Weltmachtstellung.
Falsch
ist das nicht, aber Globals gibt es auch
anderswo, und
manchmal ist 'anderswo' gleich vor der Haustür. 'The Global Mittelstand'. Besondere Kennzeichen:
Spielfeld
Erde.
Natürlich ist Th. Winkels Kleve nicht BASF, Mitsubishi, Shell
oder
Henkel. Das sind die wahren Riesen. Aber wie nennt man die, die mit den
Riesen Geschäfte machen?
Irgendwo auf der Welt denkt einer der Chemie- oder Ölgiganten über eine neue Anlage nach. Was dann gebraucht wird, ist nicht nur in seinen Ausmaßen gigantisch. Bei der Vergabe eines Auftrags geht es um Millionen für den Zulieferer — die Investoren rechnen mit Milliarden.
Winkels spielt mit in der Welt. Viele der Großen haben die
Klever
Firma im wahrsten Sinne des Wortes 'auf ihrer
Liste', und
wenn es um eine Auftragsvergabe geht, wird gern auch in Kleve ein
Angebot eingeholt.
Ein Angebot einholen: Was so klingt wie 'mal eben einen
Einkaufszettel schreiben', bedeutet einen ersten
Riesenklimmzug.
Es geht um Materialkosten, Produktionsaufwand,
Transportmöglichkeiten und Endmontage.
Wenn Winkels eine Kolonne baut (das
ist beispielsweise eine Art
Reaktorgefäß für die Chemieindustrie),
einen
Wirbelschichtreaktor oder einen Gas-Wärmetauscher, dann geht
es
bei Ausmaßen von oft bis zu 80 Metern (Höhe)
trotzdem um
Millimeter. Wenn es um ein Angebot von Millionen geht, ist es nicht
anders als im Kleinen: Am Ende zählt die Gesamtsumme. Wenn die nicht
stimmt,
macht ein anderer den Job: Feinmechanik der Finanzen.
Apropos 'Die
anderen': Früher
saßen die
Mitkonkurrenten auch in Deutschland. Jetzt verteilen sie sich auf der
Welt. Think global! Denke global. Dass sich die Entfernung
zwischen den Konkurrenten vergrößert hat,
ändert nichts
am Wettbewerb. Manche Angebote werden per
Versteigerung
vergeben. Drei, zwei, eins: Meins. Der Besteller lässt auf
einer
Internetplattform die Anbieter in den Ring. Regel: Der niedrigste Preis
gewinnt. Haifischkapitalismus, der nur dann funktioniert, wenn der
Kunde davon ausgeht, überall die gleiche Qualität zu
bekommen. Wirklichkeit geht anders. Manche können's halt
besser. Und noch eines: Der Sack Reis, der in China umfällt
und
hier keinen interessiert, ist Vergangenheit, denn: Weltwirtschaft ist
ein Dominospiel. Irgendwo wirft einer den Stein um ...
Es gibt, sagt man, zwei Arten von
Unglück: Da wäre
das
Unglück, einen Wunsch nicht erfüllt zu bekommen, und
da
wäre: Das Unglück der Erfüllung. Wenn eine
Firma das
Rennen um einen Auftrag gemacht hat, beginnt der wahre Kampf. Das
Angstwort heißt: Deadline — Abgabetermin.
Wenn Zwei Geschäfte machen, diktiert am Ende der
Große und legt Bedingungen fest. Die beziehen sich
nicht
nur auf den Liefertermin. Juristerei komm ins Spiel. Im Hintergrund
aber wird der Schwache immer wissen, wo er den Kopf einziehen muss.
High Noon auf dem Weltmarkt. Kommt der Lieferant in Verzug, sind
Vertragsstrafen vereinbart. Die können bis zu einem Prozent
des
Gesamtauftragsvolumens pro Woche ausmachen. Verzögerungen
müssen dabei nicht unbedingt ein Verschulden des
Auftragnehmers
sein. Was, wenn die Hütte den geforderten Stahl nicht liefern
kann? Was, wenn am Ende der Transport in Verzug gerät?
Das Schwimmbecken der Wirtschaft ist
alles andere als ein
Goldfischglas. Wenn Winkels einen Auftrag bekommt, dann sind fast immer
andere mit im Boot. Kaum jemand kann alles im eigenen Betrieb vorhalten.
Wenn eine Kolonne gestrichen werden muss, ist es wirtschaftlicher, den
Auftrag zu vergeben. Sollte es allerdings mit dem Anstrich nicht
klappen, haftet der Hauptauftragnehmer.
Nein, Arbeit muss nicht peinlich
sein. Dr. Norbert Liedmeier, einer der
beiden Geschäftsführer bei Winkels, muss den
Reportagentermin
zweimal verschieben. Es ist viel zu tun, und Liedmeier kümmert
sich gern selbst. Auch das ist Mittelstand.
Da sitzt einer am Ruder, der sich bei
der Belegschaft noch auskennt;
einer, der die Kunden vom Auftragserhalt bis zur Lieferung betreut.
Einer, der die Tür zur Werkshalle selbst aufbekommt und die
Wege
kennt. Liedmeier ist aber auch einer, der Wert darauf legt, dass die
Mannschaft der Star ist. Eine Firma Winkels ist ein bisschen
wie
ein großes Orchester: An jedem Pult sitzen Spezialisten, aber
jemand muss den Spielplan bestimmen. Den Kurs festlegen; sonst spielt
jeder sein eigenes Stück, aber es entsteht kein Gesamtklang.
150 Spezialisten auf der einen Seite sind genau so wenig eine
Erfolgsgarantie wie ein guter Dirigent, der ohne sein Orchester nicht
mehr ist als einer, der öffentlich Gymnastik betreibt. Ein
gutes
Orchester wird — das zeigt die Erfahrung — auch mit einem
schlechten Dirigenten fertig. Wenn allerdings eine Firma wie Winkels
Erfolg hat, dann stimmt das Zusammenspiel der Kräfte.
Mittelstand — das bedeutet nicht zuletzt auch gegenseitige Anerkennung.
Liedmeier und Kollege Reinhard Hidde sehen ihre Mitarbeiter nicht als Menschenmaterial — sie sehen das Potenzial.
Firmenpolitik — das bedeutet zu
wissen, welcher Auftrag angenommen
und welcher besser abgelehnt werden sollte. Grenzen gibt es keine. Das
Spielfeld ist der Globus. Die Sprache der Manager: Englisch. Trotzdem:
Liedmeier ist einer der Manager, die ihr Deutsch noch unverletzt
sprechen. Es kommen kaum Anglizismen vor. Wenn aber mitten im
Gespräch das Telefon klingelt und eine norwegische Firma wegen
eines Problems anfragt, gleitet der Chef übergangslos ins
Englische.
Die Sachlage: Winkels ist empfohlen worden. Der Norweger hat ein Problem auf einer
Baustelle. Ein Ersatzeil wird gebraucht. Liedmeier fragt nach einer
Skizze. Macht sich Notizen, gibt die Emailadresse der Firma durch. Er
wird die Skizzen ansehen und sich dann melden.
Gegen Ende des Gesprächs steht in groben Zügen fest:
Winkels
wird diesen Auftrag wohl nicht übernehmen. Der Norweger kann
sein
Problem besser in der eigenen Nachbarschaft lösen. Da gibt es
Unternehmen, die den Auftrag wahrscheinlich preisgünstiger
erledigen können. Liedmeier und Hidde werden das
durchsprechen.Durchrechnen.
Hidde ist der Spezialist für die technischen Fragen und
Liedmeier
wird keine Entscheidung treffen, solange er nicht Rücksprache
mit
dem Kollegen gehalten hat.
Natürlich kann man um jeden Auftrag kämpfen, aber
was, wenn
der Kunde später das Gefühl hat, über den
Tisch gezogen
worden zu sein? Gefühle können gefährlich
sein.
Wer sich die Referenzliste der Firma Winkels ansieht, muss nach
großen Namen nicht lange suchen. Wer einen Erdteil sucht,
in
den Winkels noch nicht geliefert hat, muss sich auch anstrengen.
Spielfeld Erde heißt das System, dessen Feinheiten die
globale
Wirtschaft diktiert.
Was Winkels und Konkurrenten ihren
Kunden bieten ist
hochspezialisiertes Wissen. Anbieter und Kunden gibt es wenige. "Wenn du
Feuerzeuge baust, ist die Welt groß. Du hast Millionen
Kunden.
Aber eine Raffinerie steht längst nicht in jedem Vorgarten", sagt Liemeier.
Bei vielleicht 500 Kunden weltweit wird Wettbewerb zum Dorfmonopoly.
Man kennt sich. Wer grobe Fehler macht, ist ratzfatz außen
vor.
Im Dorf sind die Fakten schnell und werden nur noch von den
Gerüchten überholt. Unternehmensführung: Ein
globaler
Eiertanz. Man muss aus Überzeugung aufs Parkett. Und zur
Überzeugung gehören Verantwortung und Moral.
Der Chef unserer Tage muss sich in der Welt auskennen und trotzdem im
Dorf zuhause sein können. Er muss seine Ressourcen kennen. Und: Es muss
einer nicht alles alleine machen wollen. Wer den Napoleon
gibt, hat einen kurzen Weg nach Waterloo. Deshalb weiß einer
wie
Liedmeier, was die Mannschaft wert ist. Wenn er die Firma
erklärt,
merkt niemand, dass da ein Doktor in Sachen Jura das Wort
führt.
Liedmeier weiß ziemlich genau, was abgeht auf dem Hof und an
den
Zeichentischen. The Global Mittelstand. Red' nicht — mach einfach,
auch,
wenn's schwierig ist.