Wir haben die Uhr — Afrika hat die Zeit

Das Gehen war einfach

Fünf Monate Afrika — fünf Monate in einer fremden Welt — fünf Monate in einer anderen Zeit. Daniela Schlutz und Christoph Hendricks sind zurück von etwas, das sie nicht Urlaub nennen wollen und für das der Begriff Reise zu eindimensional erscheint. "Das Weggehen war einfach. Das Problem war das Zurückkommen." Eurpäer haben die Uhr — Afrika hat die Zeit.

Als die beiden sich Mitte März nach Prätoria, ihrer ersten Station aufmachten, war das 'Unternehmen Afrika' seit einem Jahr geplant. "Planung kann man das allerdings genau genommen gar nicht nennen", sind sich die beiden heute einig. "Das war mehr so ein Sich-Einlassen auf die Idee."

Ebenerdig

Simbabwe, Mosambique, Sambia: Keine Touristenreise. Kein Golfplatzhopping im Mietwagen oder Großwildjagd im offenen Jeep. Keine gestellten Fotos mit bezahlten Eingeborenen, die im Baströckchen pseudoafrikanisches Flair vermitteln. Afrika aus der ebenerdigen Perpsktive: Rucksack und Zelt. Wer die Menschen kennenlernen möchte, muss Zeit haben. Wer die Menschen kennenlernen möchte, der besucht sie nicht — er lebt bei ihnen: Mit ihnen. Genau das haben die beiden gemacht. Fahrten in überfüllten Bussen haben sie erlebt. "Der Tank wird während der Fahrt aus einem Kanister nachgefüllt."   Und wenn's mal eine Panne gab, dann wurde halt zum Reparieren angehalten. "Die Leute sind ausgestiegen und haben sich Geschichten erzählt — notfalls auch ein Feuer gemacht, wenn es länger dauerte." Europäisches Zeitgefühl zwischen Terminstress und Herzschrittmacher hilft da nicht weiter.  

Einen Moant haben Daniela und Christoph in Nnhkatabay, einem Dorf mit 2.000 Einwohnern, am Lake Malawi verbracht. Sprachprobleme gab es keine. "Du findest überall Leute, die Englisch sprechen." Der späte Segen der Kolonialisierung?

Wer einen Monat bei den Leuten lebt, ist — trotz anderer Hautfarbe — am Ende kein Fremder mehr. Christoph bekommt Malaria. Drei Tage hohes Fieber. Todesangst bei beiden. Die dunkle Seite der Reise. Trotzdem: Das Positive überwiegt. Der Kontakt nach Hause läuft per Telefon. Wenn eines da ist. Die meisten Briefe kommen nicht an. 

Fünf Monate Afrika passen nicht auf ein Blatt Papier. Nicht in eine Geschichte. Bilder sind besser. An die 900 Dias — Daniela ist Fotografin — und ein Tagebuch sollen helfen, das Erlebte aufzuarbeiten. Die beiden planen eine Dokumentation ihres Unterwegsseins. Eine Auswahl der Bilder wird in Düsseldorf ausgestellt. Im Zentrum: Menschen. Jedes Leben an eine andere Geschichte geheftet. 

Danielas Kamera wird gestohlen. Die Bilder gottseidank nicht. Bilder sind das, was bleibt. Vor allem für die, die nicht dabei waren. Nach fünf Monaten afrikanischer Zeit ist das Gewöhnen an das Gewöhnliche nicht eben einfach. Noch eine Woche nach der Rückkehr, die keine Heimkehr ist, wirken die beiden wie benommen. Nicht ganz wieder hier. 

Das Problem ist eben nicht das Weggehen. Das Problem ist das Zurückkomen.



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007