Schreibkraft
Heiner Frost

Sterne am Herd

Rum gekommen

Robert Kehl ist 33 und — laut eigenen Angaben — ein waschechter Uedemer. In Uedem hat er seine Bäckerlehre gemacht und  kocht jetzt im Niederrheinischen Gasthof Kattelans. Ist er denn auch schon mal über die Grenzen des Kreises Kleve hinausgekommen? „Nun ja“, antwortet Kehl ein bisschen zögerlich, „schon.“ Und plötzlich erzählt er von Singapur, Indien , New York, Malaysia.“ Wie bitte? War das Urlaub? Von wegen. Kehl ist rum gekommen. Am Herd. Wovon andere gerne träumen — er hat es erlebt. Der Name seiner Küche: MS Deutschland. War da nicht mal was? Richtig: Das Traumschiff. Nun ja — wenn der normale Bürger an die große Kreuzfahrt denkt, dann wohl nicht so sehr an die Passage als Koch. Trotzdem: Kehl erinnert sich gerne, auch wenn die Zeit auf dem Schiff ziemlich hart war. Man kann halt nicht mal eben für einen Abend verschwinden. Auf dem Schiff ist immer Dienst. Rund 30 Köche arbeiten zum Wohl der rund 530 Passagiere. Nicht nur Liebe geht durch den Magen. Luxus auch.

Never come back line

Und was ist mit der Crew? „Die haben extra Köche“, erzählt Kehl. „Für die Crew zu kochen, ist echt schwer.“ Früher wurde ein schlechter Koch — auch in der christlichen Seefahrt — schon mal kielgeholt, wenn die Mannschaft „Klagen übers Essen“ hatte. Und mancher Smutje, der sein Handwerk nicht verstand, verschwand auf nimmer Wiedersehen. „Never come back line“ nannte man das (die Linie, ohne Wiederkehr). Für Kehl war die Arbeit auf dem Traumschiff weniger gefährlich. „Die Passagiere sieht man eigentlich selten“, beschreibt er die Arbeit. Am letzten Abend allerdings, wenn das Küchenpersonal — man kennt die Sache aus dem Fernsehen — mit Eisbomben und Wunderkerzen zum Traumschiffabschied aufläuft — dann sieht auch der Koch all die, denen er den Urlaub kulinarisch vergoldet hat. Stress muss man aushalten auf einem solchen Schiff, denn der Stundenplan ist relativ erbarmungslos: Sieben Tage, täglich 10 bis 12 Stunden. Und Küche ist ein hartes Brot.

Vom Ofen an den Herd

Wie aber ging die Sache los? Richtig: Angefangen hat Robert Kehl als Bäcker. „Gelernt habe ich im Café Scholten in Uedem. Das war von 1989 bis 1992“, erinnert er sich. In der Bäckerei Hamackers war er zunächst als Geselle beschäftigt, und dann wechselte er an den Herd. In der Eifel gab’s dann die Ausbildung zum Koch. „Wenn man Koch lernt, gibt es nicht die Bezeichnung ‘Geselle’ — man ist Jungkoch“, erklärt Kehl, der von der Eifel nach Köln wechselte, im Dom-Hotel als ‘Commis de cuisine’ anmusterte und dann zum ‘Demichef’ befördert wurde. (Was die Bezeichnungen  in der Küche angeht, halten es die Köche gern recht französisch.)

Chef de Partie

Weiter ging’s an anderer Stelle — dem Schlosshotel Lerbach — mit der nächsten Beförderung: „Chef de Partie“. Dann kam die MS-Deutschland. Hier war Kehl für den Fisch zuständig. Ein Koch macht nicht heute das und morgen das: Jeder kümmert sich um ein spezielles Terrain. Für Kehl war es halt der Fisch. Hat denn ein Koch sein eigenes Werkzeug, wenn er auf Reisen geht? „Natürlich. Jeder hat seine eigenen Messer. Das ist sehr wichtig. Darüber hinaus allerdings gibt es nichts.“ Die Messer sind wichtig, denn jeder schneidet anders — hat einen anderen Drall. (Ein bisschen ist das wie mit Schuhen — jeder läuft sie anders ab.) Was die Messer angeht, will man nicht plötzlich mit fremdem Werkzeug arbeiten müssen.

Bratwurst mit Sauce

Was gab’s denn noch im Kehl’schen Küchenleben? Zum Beispiel Event-Gastronomie: Als ‘Sous-Chef’ kochte er in der Kölnarena, im Hotel Reedt/Rothstein, im ‘Alten Brauhaus’ in Dudeldorf und auf der CS AID Aura. Längst ist Kehl auch Küchenmeister und der Mann, der die Welt gesehen hat, kocht jetzt wieder am „eigenen Herd“. Da geht es — was die Küche angeht — vorwiegend regional, saisonal und gutbürgerlich zu. Das günstigste Gericht ist für knapp sechs Euro zu haben: Bratwurst mit Sauce. Die Oberkante liegt bei knapp 20 Euro: Rinderfilet. Kehl steht allein in der Küche, und die Devise lautet: Der Kunde ist König Es steht zwar eine Menge auf der Karte, aber wenn einer es gern anders hätte — kein Problem. Kinderwünsche sind da eher leicht zu erfüllen: Nudeln ohne alles oder mit Ketchup? Klar! Und was macht das Fernweh? Naja — dafür gibt’s den Urlaub. Momentan ist es jedenfalls erst mal Essig mit dem Kochen auf hoher See. Für die Ein-Mann-Schau am Herd geht viel Zeit drauf. Aber einen Vorteil hat die Landküche: Auch bei starkem Wind schaukelt es nicht.