Reichweite: Ein Kilometer


FG21-P

Bisweilen kommt es vor, dass eine Kugel ins Ziel trifft, lange bevor der Schuss zu hören ist. Der Schall ist halt nicht sehr schnell. Im Kampf gegen die Raserei verfügt die Kreispolizeibehörde Kleve jetzt über ein Mittel, das so manchen Raser staunen lässt, denn: Lange bevor er irgendetwas gesehen hat, ist die lasergestützte Geschwindigkeitsmessung im Kasten. Des Rätsels Lösung lautet: FG21-P, Laser Traffic Speed Meter.

Morgens, irgendwo im Südkreis Kleve — ein Trio in Grünweiß ist auf Raserfang. Polizeikommissar Andreas Pleines, Polizeiobermeister Stefan Cohnen und Polizeioberkommissar Eckerhard Schneider sind seit 6 Uhr auf Schicht. Unternehmen Tiefflieger. Es sei gleich gesagt: Der „Tagessieger“ wird mit 145 Stundenkilometer „auffallen“ — nur fliegen ist schöner.

Die Peilung muss stimmen

Das Lasermessgerät sieht aus wie jedes andere — der Blick durch die Peiloptik allerdings verrät schnell den Unterschied zu den Vorgängermodellen: Was im Objektiv des Messgerätes so nah erscheint, dass man unwillkürlich den Fuß anzieht, damit niemand drüber rollt, ist auf der Straße kaum zu sehen, weil weit, weit weg. Lasertraummaße beginnen jenseits der 500-Meter-Reichweite. Dieser hier schafft locker tausend Meter. In Worten: Ein Kilometer. 

Stefan Cohnen: „Anpeilen kann man ein Fahrzeug auch schon jenseits der Tausend-Meter-Grenze, aber das Messen ist dann noch nicht möglich. Die Leuchtdioden zeigen drei Fragezeichen. Für eine gerichtsverwertbare Geschwindigkeitsmessung muss auch die Peilung stimmen. Im Sucher des Messgerätes ist daher eine Art Fadenkreuz abgebildet. „Am besten zielt man auf das Nummernschild“, erklärt Stefan Cohnen. Bei Motorrädern nimmt man den Scheinwerfer. Und die Optik des Messgerätes macht genaues Zielen auf große Entfernung möglich.

Raserfang — ist das unnötiger „Zeitvertreib“ für die Polizei oder „Abzocke“ auf der Straße? „Natürlich hören wir sowas immer mal wieder“, weiß Andreas Pleines. Da kommen dann Sätze wie: „Könnt ihr euch nicht mal um was Wichtiges kümmern?“ Der Blick auf die Todesstatistik im Kreis Kleve macht allerdings schnell klar, dass Kontrolle wichtig ist.

„Wir waren gestern und vorgestern jeweils morgens um 5 Uhr an ein und derselben Stelle zum Messen. Am zweiten Tag hatten wir einen dabei, der schon tags zuvor zu schnell war. Kommentar des Fahrers: "Ihr seid doch sonst nie hie gewesen. Und schon gar nicht zwei Tage hintereinander.“ Kommentar überflüssig. Tempolimits — eine Sache für Leute, die nicht fahren können oder dumm genug sind, sich dran zu halten. Es gibt aber auch Einsichtige. Das sind aber eher die mit einer Abweichung von ein paar Kilometern. Und mal ehrlich: Das passiert zwischendurch jedem mal.

Ich muss doch die Kinder abholen

Und manchmal ist es auch eine Frage der Perspektive.  „Es ist auch schon vorgekommen, dass eine Mutter sich bei uns beschwert hat. Wir sollten doch mal im Schulbereich messen. Die Leute würden unverantwortlich rasen. Am nächsten Tag haben wir dann dieselbe  Frau wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten. Kommentar: "Ich muss doch die Kinder abholen und bin spät dran.“

Alles Schiebung

An diesem Morgen erwischen die drei Polizisten allerdings nicht nur Temposündern auf vier Rädern — auch zwei „frisierte“ Mofas fallen auf. Eines wird an Ort und Stelle still gelegt. Diagnose: Kolben abgefeilt, Schalldämpfer ausgebaut, Ständer abgerostet. Für den Rückweg gilt jetzt: Alles Schiebung. Das „Teil“ muss binnen einer Woche vorgeführt werden.

Aber nicht nur an Mofas wird gebastelt — auch manches Auto wird aufgemotzt. Manchmal allerdings vergessen die Besitzer, dass relevante Änderungen auch „abgenommen und eingetragen“ werden müssen. Wenn die „Tiefflieger“ einlaufen, beginnt für Stefan Cohnen der sportliche Teil des Einsatzes, denn zur Sichtung der Auspuffanlagen nebst Zubehör muss auch schon mal ein Liegestütz her. Die Veredelung des Fahrzeugs beschränkt sich häufig nicht nur auf optische Details — es wird auch Wert auf den „sportlichen Klang“ gelegt. Der wiederum erstreckt sich nicht nur auf die Motorengeräusche. So mancher Pilot hat Stereo-Equipment für mehrere tausend Euro an Bord. Kein Problem — nur beim „Ausfahren“ der Anlage sollte man vorsichtig sein, denn wer bereits auf 100 Meter mehr als nur schwach zu hören ist und wohlmöglich noch abends die Siedlung beschallt, kann ein „Problem“ bekommen  

Die Temposünder des Tages jedenfalls zeigen sich meist überrascht. „Ich habe Sie doch gar nicht gesehen.“ Das liegt an der Reichweite. Und selbst, wenn sich die Verkehrsteilnehmer in der Regel mit Lichthupensginalen warnen — irgendwann kommt mal eine Lücke, wo niemand jemanden warnt. Der weitaus größte Teil der Ertappten zeigt sich einsichtig. Entschuldigungen gibt es freilich immer. Meist hat man es eilig. Terminhatz auf der Straße.

Und nach wie vor streiten sich die Gelehrten darüber, ob vielleicht drastischere Strafen eine Umprogrammierung des Verhaltens nach sich ziehen würden.




Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007