FredKopie gefällig?

Fred nachmachen geht nicht

Fred fällt auf. Fred ist meist auf Inlinern unterwegs. Auto? "Nur im Extremfall." An den Rollen von Freds Inlinern leuchtet es, wenn er fährt: Lauter kleine Lämpchen melden die genaue Position. Fred ist das, was man gemeinhin als ein Original bezeichnen würde. Fred nachmachen geht nicht. Fred ist nur echt auf acht Rollen. Und das Original produziert seinerseits Originale. Der Mann zeichnet — im Zweitleben ... oder ist es schon sein Drittes?

Geboren ist Fred in Gotha in Thüringen. 38 Jahre ist das  her, aber ein Akzent frisst sich fest und ist wie ein Regionalausweis. Fred Fischer hatte schon mit 14 keine leiblichen Eltern mehr — wuchs bei (s)einem Stiefvater auf. ("Es gibt Schöneres.")

In der Schule fiel der Junge auf, denn: Er konnte zeichnen. Ziemlich gut. Und gern. Als es in Klasse 9 der polytechnischen Oberschule um Perspektiven für eine spätere Berufslaufbahn ging, stand für Fred schnell fest: Bühnenbildner — das könnte etwas sein. Ein Zahn, der ihm gezogen wurde. Zeichnen gut, aber der Rest ...

Go West!

So kam es, dass aus dem zeichenbegabten Waisen ein Betonwerker (West: Betonbauer) wurde — ein rauher Bursche mit rauhem Umgang, der früh mit Flaschen zu tun hatte. Trinken gehört zum Geschäft. Das muss am Bau nicht immer nur ein Vorurteil sein. Fred wollte raus der Republik, die deutsch und demokratisch war: Go West! Aber daraus wurde nichts. Zunächst.

Frust macht durstig. Statt der Flucht in den Westen kam der Griff zur Flasche. Den Humor allerdings behielt der zeichnende Betonwerker. Im Do-It-Yourself-Verfahren stellte er sich Ansteckplaketten mit dem Konterfei des Staatsratsvorsitzenden her und trug sie am Revers. Nur so. Trotzdem wurde er bisweilen auch vom Staatsschutz nach dem tieferen Sinn solcher Aktionen befragt, aber: Schließlich war es nicht verboten, Honni am Revers zu tragen.

Ausreisen hätte Fred auch vor dem Fall der Mauer dürfen — aber nur alleine. Frau und Sohn hätte er zurücklassen müssen. Das wollte er nicht. Er wartete. "Ich habe immer daran geglaubt, dass die Mauer irgendwann weg ist." Dann kam das Jahr 1989, und die Mauer war weg. Im Frühjahr '90 machte Fred rüber — noch ohne Familie. Erst mal sehen, wie es so ist im Westen. Arbeit suchen. Im Aussiedlerlager Unna Massen wurde er gefragt, wo er hin wollte. "Nicht in die Großstadt", war sich Fred sicher und landete ... in Kleve. Arbeit fand er schnell und holte im Herbst '90 die Familie nach.

Ein Original vom Original

Das Zeichnen hatte er zwischendurch kaum betrieben. An eine Wand in einem Zimmer in Unna Massen hat er — quasi als finalen Abschiedsgruß — Honni in groß gemalt. Ein Original vom Original.

Mit der Arbeit ging es auch im Westen gut. Obwohl der Frust nachließ, war die Flasche längst zum Freund geworden. Dem sagte er irgendwann ohne fremde Hilfe Adé und stieg um: Auf die Inliner. So wird aus der einen Sucht die nächste. Längst fährt Fred auch Marathon: Köln, Bonn, Berlin. Bestzeit irgendwo um die zwei Stunden und acht Minuten. Er will unter die Zwei-Stunden-Grenze fahren, und er wird es schaffen.

Irgendwann erzählte er einem seine Geschichte. "Du kannst zeichnen?" hieß es dann. "Ich habe da ein altes Foto von meiner Mutter. Könntest du das abzeichnen?" Klar konnte Fred. Zwölf Stunden arbeitete er am Stück. Dann standen Original und Zeichnung im Fenster der Finch Kaffee Bar. Und wie es dann so geht im Leben: "Wer hat denn die Zeichnung gemacht?" hieß es. "Fred Fischer." "Meinst du, der würde mir auch sowas zeichnen?" "Würde er."

Honni lässt grüßen

Der Betonbauer auf den Inlinern hat das Zeichnen wieder entdeckt. Macht ja auch Spaß, wenn die Leute anschließend zufrieden sind.

Fred arbeitet mit einem Raster. Das legt er über das zu kopierende Bild. Kunst im Koordinatensystem — Kopien einer fotografischen Wirklichkeit als zweites Original.  "Es ist nicht so sehr die Linienführung — es ist die richtige Einordnung von hell und dunkel", erklärt Fred. Er macht übrigens nur in Bleistift. „Das hab ich drauf“, sagt Fred. Stimmt. Wenn Ähnlichkeit und Wiedererkennungseffekt ein Kriterium sind, dann hat er's drauf — das Zeichnen.

Wie gesagt: Der Mann stellt keine Kopien her — was da entsteht, ist ein neues Original, dessen Anfertigung (welch schmuckloses Wort) zwischen 10 Stunden und der mittleren Unendlichkeit liegen kann. Und außer einer Zeichnung gibt es — meist ganz nebenbei — jede Menge Geschichte(n). Honni lässt grüßen.



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007