aufgebrummt

Großer Bahnhof für die Brummis

Wim nimmt die Sache mehr oder weniger gelassen. Es ist 11.08 Uhr, und das ist heute schon die dritte Kontrolle. „Da kannst du nix machen“, sagt er mit niederländischem Akzent. Wim fährt einen 40-Tonner, und heute gibt es den „großen Bahnhof für die Brummis“: Polizei, Zoll und das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) haben „eingeladen“ und alle, die vom Sprinter aufwärts bis zum Schwergewicht unterwegs sind, haben beste Chancen, unter die Lupe genommen zu werden.

Möglichkeiten, sich in die Nesseln zu setzen, gibt es jede Menge. Das geht los beim „Übergewicht“, setzt sich fort bei Lenkzeiten oder Ladungssicherung und reicht bis zu „Treibstoffschmuggel“ und Schwarzarbeit.

Doppelt unterwegs

Wer da glaubt, in einem „genormten“ Europa unterwegs zu sein, irrt. In Holland beispielsweise darf (bei entsprechender Achszahl) die Ladung ein Gewicht von bis zu 60 Tonnen erreichen. In Deutschland ist bei 40 Tonnen Schluss — ausgenommen: Kombiverkehr. "Kombiverkehr“, erklärt Wolfgang Liehe vom BAG, „bedeutet, dass beispielsweise Schiffscontainer geladen werden“. In einem solchen Fall sind bis zu 44 Tonnen erlaubt.

Wer sein Fahrzeug überlädt, kann vom Bußgeld aufwärts bis hin zur Anzeige nebst Punktvergabe in Flensburg und einem Gerichtsverfahren (je nach Grad der Überschreitung) ziemlichen Ärger bekommen. „Neulich haben wir einen Fahrer mit 60 Tonnen gestoppt“, erinnert sich Wolfgang Liehe. „Der war ja praktisch doppelt unterwegs.“ 

In einem solchen Fall ist die Fahrt abrupt zu Ende. Es gilt: Abladen. Umladen. Von den juristischen Folgen gar nicht zu sprechen. Nicht nur Zeit ist Geld im Geschäft mit dem Transport — Tonnage ist es auch, denn: Wer „ein bisschen mehr“ draufpackt, macht einen besseren Schnitt. Manche rechnen das schon vorher mit ein. Schließlich kann ja nicht alle paar Meter kontrolliert werden. Das dachte auch Wim — und jetzt hat’s ihn gleich dreimal erwischt. Zweimal auf der Autobahn. Jetzt hier. Künstlerpech. Wim ist nicht sauer, aber seine Begeisterung hält sich in Grenzen. „Ich habe schon mindestens eine Stunde verloren“, rechnet er vor. „Die Jungs haben Zeit. Für die geht es um nichts. Die lassen es gemütlich angehen.“

Der Fahrer trägt die Verantwortung

Von wegen. Auf dem Parkplatz an der Rheinbrücke ist einiges los. Im Minutentakt werden die Brummis herausgewunken. Seit drei Tagen läuft die Aktion. Längst sind mehr als 150 Lastwagen kontrolliert worden. Bei rund 60 von ihnen hat es Beanstandungen gegeben.

Für das Fahrzeug ist immer der Fahrer verantwortlich. Ausreden wie „Ich wusste ja nicht, ob die Ladung gesichert war“ bringen niemanden weiter. Beim Übergewicht gilt Gleiches. Der Fahrer trägt die Verantwortung.

Christoph Scherschenewitz ist für den Zoll mit dabei und sieht sich die Kleintransporter genauer an. „Manche sind rollende Bomben“, weiß der Mann vom Zoll, denn in Zeiten, da Dieselpreise beiderseits der Grenzen um bis zu 20 Cent differieren können, kommt es vor, dass jemand mit einem Tausend-Liter-Tank „mal eben Sprit holen fährt“. Ladungssicherung ist bei „schnellen Nummern“ wie dem Sprittransfer eher Glücksache.

Teuer gespart

Oder Heizöl: Heizöl wird rot eingefärbt, damit man es gut vom normalen Diesel unterscheiden kann. „Sparer“ tanken dann lieber in Rot. Das bringt Kostenreduktion. Solange man nicht erwischt wird. Und wenn doch? Das gilt als Steuerhinterziehung. „Bei 1.000 Litern Kraftstoff macht die Mineralölsteuer immerhin 485,70 Euro aus“, analysiert Scherschenewitz die Versuchung, die allerdings im Falle des Erwischtwerdens zur bösen Falle werden kann. „Zuerst einmal muss dann natürlich die Steuer nachgezahlt werden. Dazu kommt aber noch eine Geldstrafe von rund 1.000 Euro.“ Teuer gespart.

In Holland gibt es roten Diesel für landwirtschaftliche Fahrzeuge oder Baufahrzeuge wie Bagger und Raupenschlepper. Der rote Diesel ist kostengünstiger. Die nächste Verlockung. Manche niederländischen Unternehmen, die bis ins Ruhrgebiet hinein tätig sind, nehmen sich Reservetanks mit dem Billigdiesel mit. Das ist natürlich ein grobes Foul. Die Liste der Verstöße ist lang. Für die „Heizölferraris“ hat Scherschenewitz eigens einen Öltest dabei.

Und dann sind da natürlich noch die „ganz normalen“ Schmuggeldelikte, auf die auch geachtet wird. Und die Schwarzarbeit. Auch hier wird ganz gezielt kontrolliert. Jemand, der einerseits beim Staat kassiert und andererseits unangemeldet „zwischendurch mal ein paar Fuhren macht“, begeht kein Kavaliersdelikt.

Tschüss

So kommt einiges zusammen beim großen Brummi-Auftrieb. Wim zeigt seine Scheiben. Lenk- und Ruhezeiten werden kontrolliert. Es ist alles in Ordnung. Während sich die Spezialisten mit dem Blick auf die Scheibe beschäftigen, hat Wim sich die Zeitung genommen. Nach 16 Minuten ist der Stopp für ihn beendet. Alles okay mit Ladung und Papieren, kein Heizöl im Tank, das Arbeitsgerät Lastwagen in Ordnung — keine Beanstandungen. „Garantiert ihr mir denn, dass ich den Rest des Tages Ruhe habe?“ möchte Wim wissen. Die Chance auf ein viertes Mal ist klein, erklären die Beamten. „Na denn. Tschüss.“ Auf Wiedersehen kommt heute für Wim nicht  in Frage.



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007