Leuchte

Engel sein

Nichtstun auf Wolke 9

Andreas Gervens ist wohl das, was man einen gelben Engel nennt. Der gelernte KFZ-Schlosser arbeitet im Auftrag des ADAC. Wenn Autofahrer ein Problem haben oder genervt aufgeben, schlägt die Stunde für Gervens und seinen Partner Wolfgang Hölzer.

Anfang 2002 übernahmen die beiden die KFZ-Werkstatt von Gervens Vater. Der wiederum arbeitete bereits seit 25 Jahren im Auftrag des größten Automobilclubs. Engel haben es nicht leicht. Nichtstun auf Wolke neun — das gibt es nicht. Im Auftrag des ADAC zu arbeiten — das bedeutet: 365 Tage im Jahr — 24 Stunden am Tag erreichbar sein. Wenn die anderern anfangen, die Nerven zu verlieren, müssen Gervens und seine Mitarbeier ruhig bleiben, ruhig und vor allem: freundlich. Kratzbürsten sind nicht gefragt, es sei denn, sie sind aus Stahl und dienen zum Abkratzen oxydierter Kontakte. Was die Freundlichkeit und Sachkompetenz angeht, darf mit offiziellen Testfällen immer gerechnet werden. Qualität wird vorausgesetzt.

Die Aufgabenliste für Gervens und seine Kollegen ist lang. Das reicht von der kaputten Glühbirne über die Starthilfe bis hin zum Abschleppen defekter oder verunfallter Fahrzeuge. Als erste Station hinter der holländischen Grenze gehören auch Rückholaktionen zum festen Repertoire der Truppe.

Rund 3.000 Aufträge werden alljährlich abgewickelt, und natürlich gibt es nichts, was es nicht gibt. Leute, die mit leer gefahrenem Tank auf der Autobahn (oder sonstwo) liegen bleiben, zahlen für ihre Unachtsamkeit aus eigener Tasche. Gervens: „In solchen Fällen springt der ADAC natürlich nicht ein.“ Wer sich den Sprit bringen lassen muss, darf mit rund 54 Euro 'Portokosten' rechnen.

Eigenregie gibt's nicht

Bei fast allen anderen Pannen sind Gervens' Dienste für den Autofahrer kostenlos — Clubmitgliedschaft vorausgesetzt. Die Werkstatt rechnet gleich mit dem ADAC ab. Das heißt allerdings auch: Eigenregie gibt’s nicht. Sollte also jemand in Sichtweite der Werkstatt mit dem Auto liegen bleiben und das ADAC-Schild sehen, kann er sich zwar an Gervens und seine Kollegen wenden — die allerdings dürfen erst dann in Aktion und offizielle Erscheinung treten, wenn der „Unglücksrabe“ sich bei der ADAC-Pannenhilfe gemeldet hat und von da der Auftrag kommt.

Gibt es besonders belebte Pannenzeiten? „Das kann man so nicht sagen“, erklärt Gervens und fährt fort: „Im Sommer sind es halt andere Pannen als im Winter.“ Kommt die kalte Jahreszeit, haben es die Männer in den gelb-grünen Anzügen öfter mal mit Starthilfen und altersschwachen Batterien zu tun. Im Sommer dagegen, wenn ein Autovolk in die Ferien fährt, rücken andere Dinge ins Zentrum. „Da werden dann Bootshänger und Wohnwagen hervogeholt. Häufig sehen die Leute gerade mal nach dem Reifendruck. Und der Rest? "Mit dem haben wir dann zu tun." Dieser Rest (das gilt laut Gervens nicht nur für Bootstrailer und Wohnwagen) ist mitunter nicht ungefährlich. „Sie glauben nicht, mit was für fahrenden Bomben die Leute unterwegs sind.“ Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie ehedem und bevor am Urluab gespart wird, geht erst mal die Sicherheit auf dem Abschiebegleis.

Wann sind Pannen-Kunden zufriedene Kunden? „Natürlich immer dann, wenn wir schnell am Einsatzort sind und dann auch helfen können“, muss Gervens nicht lange nachdenken. Aber das ist nicht immer zu gewährleisten. Im Gegensatz  zum mangelnden Sicherheitsbewusstsein mancher Fahrer ist das, was an Neufahrzeugen auf die Straße kommt, Hitech auf vier Rädern. Heute steckt in einem Mittelklassewagen mehr Computertechnik als seinerzeit in der ersten Mondlandefähre. „Die Autoindustrie setzt nicht mehr auf Reparatur.“ Ersatzteilchirurgie ist gefragt. Ein bisschen gleicht eine KFZ-Werkstatt heute einer Intensivstation. Diagnose findet am Computer statt.

Fast schon ein Museumsstück

Gervens sitzt in seinem Büro. Gerade läuft ein Auftrag vom Fax. „Golf I in Kleve Materborn. Der Motor zieht nicht.“ Na denn. Golf I? Das ist ja fast schon ein Museumsstück. Gervens steigt in seine fahrende Werkstatt. An Bord: Telefon und GPS. ("Du kannst nicht alle Straßen kennen.") Und um schnell vor Ort zu sein, ist heute GPS das Mittel der Wahl. Rund 18 Minuten ist Gervens unterwegs. Vor Ort: Ein altes Golf-Cabrio. Der Besitzer hängt an seinem Wagen. Der allerdings will heute nicht, wie er soll. Vom „Känguru“ ist die Rede und von Pötten, die nicht laufen. 

Gervens öffnet die Motorhaube. Er fängt beim Verteiler an und wird schnell fündig. Die „Läufer“ sind oxydiert. Behandlungsmethode: Freikratzen. „Dass sollten Sie auswechseln lassen“, rät er dem Kunden und erklärt nochmal, worum es geht. Rund zehn Minuten hat die Sache gedauert. Der Golf-Besitzer ist zufrieden und leistet eine Unterschrift. Erledigt. 



Mail an Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007