Schreibkraft
Heiner Frost

Moyländer Schlittenfahrten

Schon mal von Richard Eilenberg gehört? Der Mann lebte von 1848 bis 1927 und war Komponist. Für Heutzutägige verbindet sich mit dem Namen Eilenberg vor allem ein Titel: Die Petersburger Schlittenfahrt.


Der Schöpfer der äußerst publikumswirksam in Töne gesetzten Fahrt hat sich längst aus dem Gedächtnisstaub gemacht und uns – keine Angst, wir sind gleich beim  Thema – eben jenen Titel zurückgelassen, an den man unsernorts dieser Tage trotz Befindlichkeit in der Winterausgangskurve immer wieder erinnert wird, denn auch in Moyland gehört das Schlittenfahren (im Sommer wird es das Kirschenessen sein) zu einer Dsiziplin mit wechselnden Piloten. Moyland und Petersburg wurden ja bis zum Jahr 2010 oft hängungsbedingt im selben Atemzug erwähnt. Und jetzt steht im Zentrum der neuen Ausstellung mit dem schönen Titel „Liebling Moyland“ (ein Schelm, wer Böses dabei denkt): ein Schlitten. Also: Flugs aufgesessen, denn: Die Sache ist noch nicht ausgestanden. Welche Sache? Na, die Causa „Katalog Liebling Moyland“.
Das Schlittenfahren in wechselnden Besetzungen entwickelt sich (siehe oben) derzeit zur Paradedisziplin und man tut gut daran, eine Goldwaage in Reichweite zu haben.

In Wirklichkeit ist natürlich nichts von dem, was momentan gesagt und nicht gesagt wird, auch nur im Ansatz witzig. Die Bandagen sind hart. Wenn es derzeit (nicht nur in Moyland) um „Sprachregelungen“ (siehe unten) geht, sollte man die Ohren aufklappen. Zurück zum „Katalogproblem“. War die ursprünglich als Pressemitteilung gedachte Information, einen Katalog zur Ausstellung „Liebling Moyland“ werde es nicht geben, weil der Verwaltungsdirektor eine Haushaltssperre verhängt habe (siehe: Über allen Gipfeln ist Ruh), sachlich richtig oder nicht? „Nein“, sagt der Stiftungsvorstand. Der Katalog war also von der Haushaltssperre nicht betroffen. Was sagen die Quellen? Klartext: Der Auftrag zum Druck des Katalogs (in den ohnehin schon in fünfstelliger Höhe investiert wurde) wurde nach entsprechender Ausschreibung bereits am 20. Dezember 2016 schriftlich der Druckerei per Mail erteilt.
Aber wurde denn die Haushaltssperre nicht erst später erlassen? Richtig, aber: Die Haushaltssperre wurde erst einen Monat später festgelegt. Bei dieser Entscheidung spielten die damals noch nicht bekannten Einwände von Frau Beuys keine Rolle.
Und es gibt noch mehr Informationen: Für die aktuelle Diskussion auf der Grundlage der Pressemitteilung ist vielmehr entscheidend, dass der Sprecher des Vorstandes am 2. Februar 2017 zur Frage des öffentlichen Umgangs mit der Katalogproblematik (aufgrund der Bitte von seiten der künstlerischen Direktion um Festlegung einer ‚einheitlichen Sprachregelung‘) der Museumsleitung die Entscheidung übermittelte: ‚wahrheitsgemäß‘. Insofern überraschte die am Donnerstag etwa 30 Minuten vor der PK bekannt gewordene Darstellung. Bei „Sprachregelungen“ jeglicher Art ist Vorsicht geboten: Kollateralschaden, Freisetzung – nur zwei Beispiele aus der Sprachmunitionskiste der „wirkmächtigen Wirdrückenallespositivauswerkstatt“.
Zurück nach Moyland: Ein Katalog kann nicht gedruckt werden. Es gibt ein Veto? Welche Sprachregelung soll man wählen? Eine wahrheitsgemäße. Also: Der Katalog kann nicht gedruckt werden, weil es einen Einspruch gibt. Spielen wir‘s durch. Die fiktive Pressekonferenz: „Wer hat eingesprochen?“ „Frau Beuys war‘s.“ „Aber warum? Wurde denn nicht im Vorfeld angefragt und wenn nein warum nicht?“ Das ist natürlich nicht „zielführend“. Auch eine dieser Sprachregelungen, die man „in den Blick nehmen“ sollte, um die Lage danach „ein Stück weit“ besser beurteilen zu können.
Es bleibt dabei: In Sachen „Lieblingskatalog“ sind alternative Fakten in den Orbit geraten. Derzeitiger Stand: Am Geld lag‘s nicht, dass es keinen Katalog gab.
Es mag Menschen geben, die all das als Spielverderberei empfinden, aber was momentan in Moyland passiert, ist halt kein Spiel und manchmal ist es gut, ein bisschen Hintergrund zu haben. Derlei passiert, wenn außerkunstliche Interessen ins Zentrum des kunstlichen Horizontes geraten. Noch immer scheinen mehr schwarze Peter im Umlaufbahn zu sein als sich Besitzer dafür anmelden.
Heiner Frost
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