Schreibkraft
Heiner Frost

Hausmeister

Wollmilchsau

Stellenausschreibung: Gesucht wird ein Leiter der Abteilung Facility Management. Sie sollten Teamgeist, Durchsetzungsvermögen und Organisationstalent mitbringen und außerdem über Kenntnisse in Elektrik, Installateurwesen, Malerhandwerk, Floristik und extensivem Zeitmanagement mitbringen und bereit sein, sich auf eine mehr als flexible Arbeitszeithandhabung einzustellen. Sollten Sie alle diese Vorsaussetzungen erfüllen, könnten Sie der Richtige für uns sein. Mit dieser rein fiktiven Ausschreibung könnte sich eine Stadt auf die Suche nach der Eier legenden Wollmilchsau begeben, die vielen unter der ursprünglichen    Bezeichnung Hausmeister besser bekannt sein dürfte. Tatsächlich verbirgt sich (anders als hinter dem bombastisch klingenden Facility Manager) hinter der Berufsbezeichnung Hausmeister eher eine Berufungsbezeichnung, denn Hausmeister sind allenthalben die Notärzte für Gebäude oder ganze Gebäudekomplexe.

Erst Hausmann

In Rees ist Wilm Braem für Rat-, Bürgerhaus und Stadtbücherei zuständig. Der gelernte Elektroinstallateur ist seit November 2000 offiziell im Amt. Vorher war er arbeitslos — das allerdings wohl eher im arbeitsrechtlichen Sinn, denn der Ehemann und Vater von Zwillingen, arbeitete als Hausmann. Eine gute Vorbereitung auf den Hausmeister, denn in beiden Berufen ist Flexibilität in Sachen Arbeitszeit eine Grundvoraussetzung. Bestenfalls der Dienstbeginn unterliegt einer Regelmäßigkeit. Wilm Braem ist allmorgendlich um 6.45 zur Stelle und schließt erst einmal auf. Der Letzte macht das Licht aus, und natürlich macht demnach der Erste es auch an. Rund drei Minuten braucht Braem (mit dem Rad) von zu Hause bis zum Rathaus — gute Voraussetzungen für einen Hausmeister, denn der Mann sollte am besten allzeit erreichbar und im Notfall schnell zur Stelle sein. In Sachen aufschließen und Licht einschalten könnte auch jeder von uns sich den Herausforderungen des Jobs stellen, aber viele würden danach durch das Raster fallen. Ein Hausmeister darf alles haben, nur keine zwei linken Hände. Und wie war das doch gleich: Kenntnisse als Elektriker, Maler, Gärtner und und und können nicht schaden. Den Elektriker hat Braem lehrtechnisch quasi im Blut — zwei linke Hände hat der Mann nachweislich nicht. Demnach gilt: Den Rest kann man lernen.

Schraube locker

Im Keller unter der guten Stube der Reeser, dem Bürgerhaus, hat Braem sein Facility Office: Ein kleiner Raum, vollgestellt mit Regalen, in denen sich von der Glühbirne über den Marker bis zum Schließzylinder so ziemlich alles findet. Apropos Glühbirne: Wieviel Ostfriesen braucht man, um eine Glühbirne in einer Stehlampe auszuwechseln? Antwort: Mindestens drei. Einer hält die Birne, die anderen drehen die Lampe. Was da klingt, als sei es aus einer Büttenrede abgeschrieben, ist — bei Lichte besehen — gar nicht mal so falsch. Wenn im Deckenspiegel in Reesens guter Stube eine Schraube locker (sprich: eine Birne kaputt ist), dann ist es mit einem Mann nicht getan, um sie auszuwechseln. Bei einer Deckenhöhe von rund neun Metern nämlich muss Wilm Braem nach dem sechs-Stufen-Plan vorgehen: 1) Ein Gerüst in der 3-fach-Sporthalle holen 2) Gerüst aufbauen 3) Birne auswechseln 4) Gerüst abbauen 5) Gerüst zurück bringen 6) hoffen, dass  nicht gleich die nächste Birne durchbrennt.   Ein großer Teil von Braems Tätigkeit dreht sich um das Bürgerhaus und eben da um die zahlreichen Veranstaltungen vom Klassik-Konzert über Kabarett, Kleinkunst oder Karneval bis hin zur Disco-Night oder zum Diskussions-Forum. Rund anderthalb Stunden braucht Braem, um den ‚großen Sendesaal‘ mit der kompletten Bestuhlung zu versehen: 430 Stühle unten, 77 oben. Dazu legt er sich dann Musik auf: „Dann geht’s schneller.“ Stapelweise (immer 12 Stühle im Pack) werden die Sitzgelegenheiten hineingerollt und müssen so aufgestellt werden, dass nicht nur die Hinterteile der Besucher ihre Freude haben, sondern auch das Auge des Betrachters. „Wenn man das oft genug gemacht hat, weiß man, wie die Wege am kürzesten sind.“ Ein Neuling, da ist er sich sicher, würde schon die eine oder andere halbe Stunde länger brauchen.

Flexibilität ist alles

Gerade während der Hochsaison des Karneval ist Braem abends häufig im großen Saal. Da kommt einiges an Stunden zusammen. Wie war das in der fiktiven Ausschreibung: Flexibilität ist alles. Da kann es dann sein, dass der Facility Manager auch mal mittags zum Kochen nach Hause geht — das Handy im Anschlag und jederzeit bereit, innerhalb von drei Minuten wieder vor Ort zu sein, wenn’s irgendwo brennt. (Was natürlich nicht wörtlich zu nehmen ist). Natürlich ist Braem auch der zuständige Mann, wenn vor dem Rathaus geflaggt werden muss oder wenn es gilt, die unmittelbare Umgebung des Bürgerhauses müllrein zu halten, wenn an der einen Ecke eine Birne gewechselt werden muss, wenn an der anderen Ecke vielleicht ein Schloss klemmt, wenn bei entsprechender Witterung gestreut werden muss, wenn der große Sendesaal beschallt oder beleuchtet werden muss und wenn es gilt, grobem Unfug Vorschub zu leisten. Es ist mal vorgekommen, dass beim Kulissenaufbau für eine Theatervorführung jemand Holzschrauben in den Bühnenboden montieren wollte. Das sind die Augenblicke, wo ein (nachweislich) netter Hausmeister zum Tier wird. „Da muss man dann den Hammer kreisen lassen“, weiß Braem und meint es natürlich nicht wörtlich. Ansonsten gilt für jeden guten Hausmeister: Am besten ist es, wenn er gar nicht bemerkt wird, weil alles glatt läuft. Und wer nach einer gelungenen Veranstaltung im Bürgerhaus zufrieden nach Hause geht, sollte sich klarmachen, dass im Hintergrund einer wie Wilm Braem dafür gesorgt hat, dass alles glatt über die Bühne geht. Statistik: Während der 45 Minuten, die das Gespräch mit Braem dauert, klingelt vierzehnmal das Dienst-Handy.