Schreibkraft
Heiner Frost

Gute Stimmung gehört zur Ausbildung

Foto: Rüdiger Dehnen

Georg Neinhuis ist Klavierbaumeister. Seine Werkstatt ist in Appeldorn. Der Laden auch. Drei Lehrlinge hat Neinhuis seit 1995 ausgebildet. Genauer gesagt hat er zwei ausgebildet – der Dritte ist seit August dabei.


„Klavierbauer sind gefragt“, sagt Neinhuis. „Arbeit zu finden, ist kein Problem, und wenn einer keine Arbeit hat, dann hat das seine Gründe.“ Neinhuis bekommt fast jeden Monat eine Bewerbung geschickt. „Meist bewerben sich Abiturienten.“ Braucht man Abi für den Klavierbau? „Nein“, sagt Neinhuis, „und für mich ist auch der Schulabschluss nicht ausschlaggebend, wenn ich einen Lehrling aussuche.“ Am besten ist es – wie heute fast schon überall – erst mal ein Praktikum zu absolvieren. Da kann der Meister sich ein Bild machen, mit wem er es zu tun hat. Gibt es Grundvoraussetzungen? „Bei mir schon“, sagt Neinhuis. „Jemand, den ich ausbilde, sollte auf jeden Fall Klavier spielen können und musikalisch sein“, denn der Klavierbau verschränkt das Handwerk mit dem Gehör: Klavierstimmen ist ein integraler Bestandteil der Ausbildung. Den Umgang mit dem Werkzeug kann man, wenn einer nicht zwei linke Hände hat, lernen. Ein Instrument zu simmen, ist eine ganz andere Sache. Klavierbauer müssen am Ende beides beherrschen: Das eher handwerkliche Tun und das Stimmen.
Neinhuis: „Wenn bei mir ein neuer Lehrling anfängt, dann zerlegt der erst einmal alte Instrumente“, und lernt dabei schon einmal viel über Innenleben von Klavieren und Flügeln. Neinhuis: „Ich kann ja einen frischen Lehrling nicht gleich an Kundeninstrumenten hantieren lassen.“ Das leuchtet ein. „Beim Stimmen geht es anfangs auch erst einmal darum, ein Gefühl für die Sache zu entwickeln. Wenn einer ein gutes Gehör mitbringt, lässt sich der Rest lernen.“ Aber einfach ist die Stimmerei nicht. Vier Jahre dauere es, bis einer in der Lage sei, ein Instrument so zu stimmen, dass die Kunden zufrieden sind, erklärt Neinhuis. Danach beginnt die Kür. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ein Klavier in einem Haushalt gestimmt werden muss, oder ob es sich um einen Flügel handelt, auf dem abends ein Meisterpianist für eine CD-Aufnahme spielt.
„Mit dem Gehör ist es so eine Sache – an stressigen Tagen kann es schon mal passieren, dass ich einem Kunden sage: Ich komme noch mal wieder.“ Jedes Instrument führt – das geht jetzt ins Philosophiesch – ein Eigenleben. Mit manchen freundest du dich an und andere sind Nervensägen.  Stimmen auf höchstem Niveau bedeutet: „Du musst immer so gut sein wie der Solist abends auf der Bühne.“
Zurück zur Ausbildung. Dreieinhalb Jahre dauert es bis zur Gesellenprüfung. Die theoretische Ausbildung sowie die Ausbildung an den Maschinen findet in Ludwigsburg statt. Neinhuis: „Da werden alle Klavierbauer ausgebildet. Vier Monate im Jahr geht es dann zum Blockunterricht. „Die Lehrlinge wohnen dann entweder in einer Jugendherberge oder privat.“ Derzeit werden 40 Lehrlinge in zwei Klassen ausgebildet. Auch die Ausbildung zum Meister findet in Ludwigsburg statt. „Früher – also bis vor circa zehn Jahren – war es noch so, dass nur ein Meister auch Reparaturen ausführen durfte. Ein Geselle konnte sich zwar selbständig machen, durfte dann aber nur stimmen und nicht reparieren.“ Das hat sich geändert. Jetzt kann man sich mit dem Gesellenbrief in der Tasche selbständig machen und auch reparieren – nur das Ausbilden ist den Meistern vobehalten.
Wer sich nicht selbständig macht, kann auch in die industrielle Fertigung. Neinhuis hat sich in seinem Beruf längst einen Namen gemacht und so kommt es, dass sich junge Leute aus dem ganzen Bundesgebiet bei ihm bewerben. „Klavierbau ist längst auch bei Frauen ein etablierter Beruf.“ Auch Neinhuis beschäftigt eine Klavierbaumeisterin. Auf die Frage, ob der Beruf – was die Chancen nach der Ausbildung angeht – zu empfehlen ist, antwortet Neinhuis mit einem klaren „Ja“.