Schreibkraft
Heiner Frost

Großer Krieg im Kleinformat

Wer von Neuigkeiten lebt, kann derzeit getrost einen Bogen um Schloss Moyland machen. Nach einer Pressekonferenz am Donnerstag, sprach ein Kollege: „Morgen mach‘ ich Goch auf Seite 1. Da gibt‘s wenigstens ‚ne Bombe.“

Auch in Moyland gibt es, wer wüsste das nicht, jede Menge Explosivkraft, aber man wartet – um im Bild zu bleiben – vergebens auf den Kampfmittelräumdienst. Zurück zur Pressekonferenz, einberufen vom Vorstand. Nun denn – in Sachen künstlerische Leitung: Nichts Neues. Schwebendes Verfahren. Da äußert man sich besser nicht. Einigung? Erwünscht, aber irgendwie nicht in Sicht. Bis Ende Mai soll die Geduld noch reichen.
Dass es nach 20 Jahren das eine oder andere zu renovieren gäbe, dürfte sich auch herumgesprochen haben. Geld wird gebraucht. Aus dem normalen „Moyländer Wirtschaftskreislauf“ wird es nicht zu generieren sprich abzuzwacken sein. In unmittelbarer Zukunft wird ein Betrag gebraucht, der die Millionengrenze ankratzt. Danach? Mehr. Viel mehr. Das Spiel: Such den Topf. Töpfe gibt es ja reichlich.
Vakanzen? Jede Menge. Die Stelle des Verwaltungsdirektors: Seit einem Jahr ausgeschrieben. Kandidaten? Jede Menge. Wenn man genauer hinfragt, sind es dann doch nicht so viele.

erstenzweitensdrittens

Und wie so oft im Leben das eine mit dem anderen zusammenhängt, wirkt sich die – sagen wir – Ungewissheit in künstlerischen Dingen auch auf die Bewerbungseifrigkeiten der Kandidaten aus. Drei Kategorien. 1. Nicht Geeignete. 2. Geeignete, die gern wüssten, was kommt. 3. Abspringer. Gut, dass Johannes Look noch da ist, um dessen Nachfolge es ja bekanntlich geht. Auch einen Vertreter gibt es nicht. Na ja – und die Stelle am künstlerischen Ruder des Schiffchens Moyland, dass dereinst auf der Tankerroute kreuzte? Wer möchte – im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte – dieses Pöstchen wohl bekleiden? Man zählt durch: Etwas mehr als 20 Jahre – dazu sechs künstlerische Leitungen. (Nebenan in Kleve: Selbe Zeit, zwei Chefs. Das muss natürlich nichts heißen.)
Und dann der Schimmel. Nein, kein weißes Pferd, der andere Schimmel: Er ist ins Depot geritten. Kunst und Schimmel sind wie Vampir und Weihwasser. Der Schimmel muss bekämpft werden. Noch ist nicht sicher, wo das geschehen soll. Das „wo“ ist eine Geldfrage. Ungünstigstenfalls wird das Duell mit dem Schimmel in der Ausstellungshalle ausgetragen werden, wenn (siehe oben) aus Geldmangel keine anderen Arenen angemietet (also bezahlt) werden können. Wird die Ausstellungshalle zum Schimmelbekämpfungsareal erkärt, wirkt sich das auf die Ausstellungen aus: Die müssen dann ins Schloss verlegt werden.
Überhaupt: Die Ausstellungen – das Künstlerische also. Demnächst in Moyland: „Der Große Krieg im Kleinformat: Graphik- und Medaillenkunst zum Ersten Weltkrieg.“ (Großer Krieg im Kleinformat – hat man den nicht längst schon? Oder muss man es umgekehrt formulieren?) Demnächstens soll es dann auch um Walt Disney gehen. Wer Zweifel anmeldet, wird abgewatscht. Das Moyland der Zukunft: Ein Ort für Familien mit Kindern. (Vielleicht mal über eine Spielgerüste-Ausstellung nachdenken. Ja – es ist immer leicht, den Zyniker zu geben.) Man will in Moyland derzeit nicht an den Schalthebeln sitzen.

nicht vergnügungssteuerpflichtig

Vielleicht mal ein Zitat aus dem Vorstand. Armin Brux auf die Frage, ob das Land noch Interesse an Moyland hat. „Moyland ist – das wissen wir – nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.“ Brux ist es auch, der sich vorstandsnamentlich bei den Mitarbeitern des Museums bedankt, für die es ja auch nicht leicht ist. Einen von ihnen hat man am Eingang getroffen: „Wir sind ja unerwünscht bei der Veranstaltung“, sagt er und meint die Pressekonferenz. Armin Brux: „Die Personalsituation ist unbefriedigend, weil lange andauernd.“ Und: „Derzeit sind uns die Hände gebunden.“ Frage: Wie viele Treffen zwischen den Parteien hat es im Rahmen der Verhandlungen gegeben? „Es läuft seit einem Jahr hin und her.“ Brux: „So was wie hier habe ich noch nicht erlebt.“ Dieser Satz – nur damit es nicht heißt, da sei etwas aus dem Zusammenhang gerissen worden – fiel im Zusammenhang mit Brux‘ Aufzählungen seiner bisherigen Tätigkeiten (außerhalb von Moyland). Bis zum Jahresende soll ein Sanierungskonzept in Sachen Moyland her. Johannes Look spricht von „Generalanforderungen“. Bei Klima- und Sicherheitstechnik sei es schon passiert, dass Ersatzteile für die verbauten Anlagen schlicht nicht mehr lieferbar seien. Fest steht: Wer Looks Nachfolge antritt, steht vor nennenswerten Aufgaben.
Und die künstlerische Leitung? Was Genaues weiß man nicht. Schwebendes Verfahren. Sollte die Stelle ausgeschrieben werden, sollten sich alle Bewerber in Ruhe mit ihren Vorgängern unterhalten, um emotionale und fachliche Luftbilder vom Minenareal Moyland zu bekommen. Anderswo wird beim Entschärfen evakuiert. In Moyland muss es weitergehen. Wer weiß – vielleicht gibt es Ende des Monats Neuigkeiten. Wenn nicht, kommt ja erst einmal der große Krieg im Kleinformat.