Schreibkraft
Heiner Frost

Die Spur der Steine

Die Spur der Steine
Ist Sandmännchen eigentlich ein Lehrberuf? Wenn ja, gäbe es einiges zu lernen. Die Frage „Was ist schon interessant am Sand?“  Die Antwort: „Eine ganze Menge.“
Wer die Spur der Steine verfolgt, gelangt immer auch zum Sand. Fachwissen aus Sandmännchens Nähkästchen liest sich wie folgt: Alles Sandsein beginnt mit der Dimension. Wer größer ist als zwei Millimeter, gehört nicht zur Familie und darf sich folglich nicht Sand nennen. Alles muss seine Ordnung haben. Unterhalb der Zwei-Millimeter-Grenze ordnet sich die Sandfamilie in vier Untergruppen. Es geht – wie so oft im Leben – um die Feinheiten. Beim Sand sind die Feinheiten getrost wörtlich zu verstehen. Vier „Granulatstärken“ gibt es. In der „Babyklasse“ geht es um Kornstärken von 0 bis 0,25 Millimeter. Im Fliegengewicht geht es von 0,25 bis 0,5 Millimeter, die Mittelkasse rangiert von 0,5 bis 1 Millimeter, und den Abschluss bilden die Sandkörner zwischen 1 und 2 Millimeter.

Rezepte

Sandkörner übrigens werden eher unromantisch „Partikel“ genannt. Aber wen interessiert denn eigentlich, wie groß ein Sandkorn, pardon: Partikel ist? Zu nennen wäre die Betonteile-Industrie. Es geht darum, was aus dem Sand später einmal werden soll. „Je nachdem, wie die Produktionsprozesse beim Kunden aussehen und je nach Endprodukt mischen wir individuelle Sandrezepturen“, erklärt Thomas Derksen, zuständig für die Technik. So viel ist sicher: Wer mischen will, braucht Einzelkomponenten. Also muss der Sand zunächst einmal sortiert werden. Sortieren heißt: Sieben. Genau das ist einer der Arbeitsprozesse in der Aufbereitungsanlage.
Die vier verschiedenen Sandstärken werden separiert und später nach Kundenwünschen wieder zusammengemischt. Dabei hilft die Technik. Ungenauigkeiten darf es nicht geben. Thomas Derksen: „Die Klassierung des Sandes erfolgt mittels einer Aufstromanlage. Dabei werden die Sandmengen von unten nach oben mit Wasser durchströmt. Dabei schwimmen die leichten Bestandteile nach oben, schwere bleiben am Grund.“

Weißt du wie viel Körnlein fallen?

So dividieren sich die unterschiedlichen Fraktionen auseinander. Schließlich wird alles wieder entwässert und in getrennte Silos befördert. Von hier können dann für die speziellen Rezepturen die einzelnen Fraktionen punktgenau abgerufen werden. Schnell wird klar: Sandmännchen sein ist nicht eben einfach. Natürlich wird zur Qualitätskontrolle eigens ein Labor gebraucht, das immer wieder prüft und klassifiziert. Im Labor wird sogar der Frage nachgegangen, wie viele Partikel eine bestimmte Menge an Sand enthält. Die Antwort liefert eine spezielle Messanlage, auf der eine bestimmte Menge Sand vor einer Hochgeschwindigkeitskamera langsam von einer Metallschiene gerüttelt wird. Dabei wird – man glaubt es kaum – der fallende Sand fotografiert undelektronisch gezählt. Das Ergebnis erscheint Sekunden später auf einem Monitor. Thomas Derksen: „Bei einer Menge von 30 Gramm Sand reden wir von circa zwei Millionen Partikeln.“ Womit das Sandmännchen entzaubert wäre.

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