Schreibkraft
Heiner Frost

Der Heiland in der Klemme

Was wird bleiben, wenn sich der Vorhang endgültig schließt? Vielleicht gar nichts. Vielleicht ein paar Bilder, Objekte, Verrücktheiten. Wer weiß das schon?


Man kann einer Geschichte über Peter Busch viele Anfänge spendieren. Man könnte die Geschichte vom Floß erzählen: vier mal zwei Meter. Darauf: 420 Kruzifixe. Das Ganze ausgestellt in Holland. Dann kommt ein evangelischer Pastor aus Geldern und sagt zu Busch: „Das Ding muss in unsere Kirche.“ Gesagt, getan. Die einen fanden es toll – und die anderen … Peter Busch erinnert sich: „Da war eine Frau, die ziemlich laut wurde und so etwas sagte wie: ‚Dieses Ding darf nicht in meine Kirche‘, worauf eine andere antwortete: ‚Das ist aber auch meine Kirche.‘ Das hat mir natürlich gefallen.“ Später, bei einer Heirat, die in der Kirche stattfand, musste das Floß mit einem Tuch abgedeckt werden. Das Argument: Man könne das Floß den Menschen nicht zumuten. Für Busch ein glücklicher Zufall, „denn mit dem Tuch wurde das Floß noch einmal viel spannender.“ Damals, gut zehn Jahre ist das her, dachte Busch erstmals an die Highlander.

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Sprache hat verschiedene Gestalten. Wenn man das Wort Heiländer nur gesprochen hört, stellt sich eine englische Vokabel ein: Highlander. Die deutsche Vokabelschublade bleibt leer. Heiländer gibt es nicht. Oder doch? Für Busch auf jeden Fall, denn Heiländer ist für ihn die Mehrzahl von Heiland. Fertig. Ist Busch ein Künstler? Ja. Kann man, was er macht, definieren? Vielleicht. Eigentlich ist jede Definition eine Schublade, in die jemand gesteckt wird. Einer wie Busch hält es aus, wenn man seine Kunst „Volkskunst“ nennt. Busch ist einer, der, auch wenn er an Heiländern arbeitet, nicht auf Wolke sieben anzutreffen ist. Busch ist einer, der das Leben in  seine Kunst einlädt oder die Kunst in sein Leben. Busch versteht seine Arbeit nicht als Provokation. Anstöße möchte er geben, aber: Einen Anstoß geben ist etwas anderes als anstößig zu sein. Das würde zu einem wie Busch nicht passen. Er ist kein Berufsquerulant.

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Denkanstöße

Was er abliefert, sind Denkanstöße, Lebensbetrachtungen.   Was ihn antreibt, ist die Gegenüberstellung von Realität und Wirklichkeit. Eigentlich ist Busch auf dem Grund seiner Seele Romantiker – einer von denen, wie sie nur der Niederrhein hervorbringt. Seine Heiländer sind angewandtes Nachdenken über den Glauben. Da hängt einer den Heiland vom Kreuz ab und passt ihm als Querbalken einen Pistolenlauf an. Provokation? Natürlich muss das jeder selbst entscheiden. Der Heiland, eingezwängt in etwas, das an einen Schraubstock erinnert. Ein Heiland in der Klemme. Das Kruzifix auf den Geldsack einer Schweizer Bank montiert – Szenen aus der kapitalgetränkten Wirklichkeit, Wirklichkeit. Busch ist katholisch. Immer gewesen. Immer geblieben. „Fragen“, sagt er, „müssen aus dem Inneren kommen.“ Er meint nicht nur die eigene Seele – er meint mit dem Innen auch das Innen der Kirche. Seine Heiländer sind ein lebendiger Diskurs.

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Eine Portion Haltung

Wie kommt einer auf so was? Es gehört eine Portion Lebenserfahrung dazu, eine Portion Haltung, aber auch eine Portion Humor. Busch sieht die Welt immer auch mit Humor. Wie sollte man sonst all das aushalten, was schief läuft. Busch ist einer, der mit Kunst kommentiert. Dabei ist, was er macht, niemals zynisch oder sarkastisch. Es lässt immer etwas offen – zwingt niemanden in eine Revolte, aber: Es regt zum Nachdenken an. Natürlich eckt einer wie er an. „Das musst du aushalten“, sagt er, der bedingungslos „an den Menschen glaubt“. Eben das merkt man den Arbeiten an. Natürlich: Wenn man seinen Heiland im Fett sieht, muss man an Beuys denken, ohne dass man an Kopie denkt.
Und dann wäre da Buschs Heiländerballett. Von weitem sieht es tatsächlich wie eine Männertanzgruppe im Synchronmodus aus. Aus der Nähe betrachtet erkennt man lauter Heiländer ohne ihr Kreuz – die ausgestreckten Arme verleihen ihnen plötzlich etwas Tänzerisches. Plötzlich hat ihnen jemand das Leiden ausgeblasen. Buschs Heiländer zeichnen sich durch ein hohes Maß an Ästhetik aus – nichts ist einfach hingeworfen.
Längst gibt es Interessenten für die Heiländer. Den Jesus im Schraubstock hat sich ein Geistlicher ausgesucht. „Der fand das auf Anhieb gut“, erinnert sich Busch.  Wird es Ärger geben um Buschs Heiländer? Man würde sich wünschen, dass die Serie zum Denken anregt. Busch ist nicht auf Krawall gebürstet, seine Arbeit ist weder würde- noch respektlos – sie stiftet Sinnzusammenhänge und macht das Ignorieren schwer. Nicht mehr. Nicht weniger.
Ist denn eine Ausstellung  geplant? Busch würde die Heiländer gern ausstellen, aber noch hat sich der geeignete Platz nicht gefunden.  Ist Kunst eine Art Unsterblichkeitsversuch im Heimwerkerverfahren? „Wir wissen doch alle nicht, was von uns bleiben wird. Ich mache Kunst nicht für die Zeit nach mir“, sagt Busch. Und er sagt auch: „Eigentlich wünscht man sich natürlich, dass die anderen vielleicht mal anhalten, wenn man abtritt, aber die Welt läuft einfach weiter.“ Was wird bleiben, wenn der Vorhang fällt? Wer weiß das schon. Vielleicht ein Heiland im Schraubstock.

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